martes, 10 de junio de 2008

Lagebericht

Lagebericht

Lange habe ich auf mich warten lassen mit der Fortführung meiner Erzählungen, und vielleicht haben einige schon die Hoffnung aufgegeben jemals wieder etwas von mir zu hören. Ich habe euch alle aber keinesfalls vergessen! Es gibt keine gute Entschuldigung für meine zugegeben etwas freche „Schweigsamkeit“, aber dennoch einige Faktoren, die diese begünstigt haben. Zum einen war ich in den letzten Monaten sehr viel unterwegs, zum anderen war häufig das Problem mit der Elektrizität (welches seit einiger Zeit aber nahezu verschwunden ist – der Strom fällt nur noch sehr selten und kurzzeitig aus!), und ich war sehr mit den Dingen hier beschäftigt – zum Einen mit der Arbeit, zum Anderen mit dem Leben hier, an das ich mich mittlerweile richtig gut gewöhnt habe – es gefällt mir wirklich gut hier. Wahrscheinlich hat mich die hiesige Mentalität auch ein wenig beeinflusst – die Dinge einfach mal aufschieben, bis es nicht mehr geht. Und ich finde, es geht wirklich nicht mehr! Es ist wirklich sehr, sehr viel passiert in den vergangenen Monaten, und davon werde ich jetzt berichten in einer leicht modifizierten Version meines zweiten Unterstützerbriefs. Zudem gelobe ich von ganzem Herzen Besserung – und diesmal meine ich es todernst!

Reise nach Honduras

Im Dezember des vergangen Jahres traten wir eine lange und abenteuerliche Reise nach Honduras an – zu unserer ersten Konferenz von AJECIM, der Jugendorganisation der Iglesia Morava, jener Kirche, mit der wir hier in Puerto Cabezas kooperieren. Diese Kirche existiert auch in Honduras, einem im Norden angrenzenden Nachbarland Nicaraguas, ebenfalls überwiegend in der Atlantikregion des Landes. Auch hier lebt vorwiegend das Miskitu-Volk, und deshalb ist die Iglesia Morava hier wichtig für die Menschen - die Iglesia Morava ist in diesem Teil der Welt quasi eine reine Miskitu-Kirche. Puerto Lempira, eine der wenigen etwas größeren Städte an der südlichen Atlantikküste von Honduras, ist noch ein wenig infrastrukturell unterentwickelter und abgeschotteter vom Rest des Landes als Puerto Cabezas.

AJECIM steckt in Honduras noch in den Kinderschuhen, und die besagte Konferenz, die wir besuchen, ist deren erste. Aus diesem Grund wurde AJECIM-Nicaragua eingeladen, um ihre Brüder im Geiste beim Aufbau und der Organisation ihres AJECIM zu unterstützen. Dies war die anstrengendste Reise, die ich in meinem Leben bislang gemacht habe. Los geht es mitten in der Nacht („Wir treffen uns um 22 Uhr und fahren dann um 0 Uhr ab“ – tatsächlich los ging es um 2 Uhr). Den Rio Coco, ein großer Fluss, der die Grenze zu Honduras markiert, erreichen wir früh morgens bei Sonnenaufgang. Auch schon diese Strecke ist eine Tortur: 14 Leute plus Gepäck und Ersatzreifen auf einem Pick-Up – also denkbar unbequem (und dreckig noch dazu – Benzinkanister und aufgewirbelter Staub aufgrund Ermangelns befestigter Straßen leisten ihren Beitrag).

Irgendwie schaffe ich es dennoch, ein wenig zu schlafen, damit habe ich einigen meiner Mitstreiter etwas voraus. Dann geht es mit einem kleinen Motorboot auf die andere Uferseite, wo schon ein Geländewagen auf Reisende wartet – dieser Transportdienst ist eine der wenigen sich lohnenden Einnahmequellen im Grenzort Leimos, wo es außer ein paar Häusern, einem Grenzposten und einer kleinen Gaststätte nicht viel gibt. Die Sonne steht mittlerweile hoch am Himmel, und es beginnt der unangenehmste Teil der Reise.

Der besagte Geländewagen ist noch einmal etwas kleiner als der Pick-Up der Kirche, deswegen nehme ich platz auf dem Dach des Wagens – acht Stunden Fahrt durch schier endlose Pinienwälder stehen bevor. Sonnencreme erweist sich als überlebenswichtig. Trotzdem irgendwie eine tolle Erfahrung. In Puerto Lempira erwartet uns ein kleines, leerstehendes Steinhäuschen als Nachtlager. Geschlafen wird aus Ermangelung von Betten auf begrenzt vorhandenen Holzbänken oder auf dem Fußboden.

Die Konferenz an sich ist für uns ziemlich uninteressant, schier endloses Ausharren in der Kirche (stets alles auf Miskitu), wobei stundenlang Struktur und Arbeitsweise von AJECIM erklärt werden. Zu essen gibt es bei diesen Konferenzen meist immer das selbe – morgens Bohnen und Brot, mittags Reis, Bohnen und ein Stück (fettiges, knochensplitteriges!) Rindfleisch, und abends noch einmal Bohnen mit Brot.
Es müssen einige hundert Mäuler gestopft werden, und das zu einem möglichst geringen Preis – auch hier sind die Menschen sehr arm. Wer will und es sich leisten kann, der kann sich in der Stadt etwas anderes kaufen. Unser aktiver Beitrag beschränkt sich auf ein kleines, „pädagogisches“ Spielchen, das wir aus unserem Vorbereitungsseminar übernommen haben:

Die Teilnehmer stellen sich in einem Kreis auf, schließen die Augen und laufen mit ausgestreckten Armen ins Zentrum und suchen sich mit jeder ihrer beiden Hände jene eines anderen Mitspielers. Es entsteht ein Knoten, den es gemeinsam zu lösen gilt. Ziel ist es, den Jugendlichen damit zu vermitteln, dass dies der Weg ist, Probleme in ihrer Gesellschaft zu lösen – indem sie zusammen arbeiten, und sich nicht jeder nur um sich selbst kümmert.

Dienst und Sinn

Jedoch bin ich überzeugt, dass auch dieser Besuch nicht umsonst war. Allgemein ist der Austausch der Kulturen ein Aspekt, den man nicht aus den Augen lassen sollte – die Jugendlichen in Honduras waren sehr glücklich, dass wir dabei waren. Einem Jungen namens Noel habe ich versucht, ein kleines bisschen Deutsch beizubringen, er hatte sehr großes Interesse daran und ließ mich viel für ihn aufschreiben. Der Junge hat großes Potenzial - schade, dass solches in manchen Teilen der Welt nicht ausgeschöpft werden kann. Puerto Lempira ist wie gesagt sehr abgeschieden, und oft haben die Eltern nicht genug Geld, ihre Kinder in die Hauptstadt oder an einen anderen Ort zu schicken, wo es Zugang zu qualifizierter Bildung gibt.

International

Mitte Dezember fand eine Internationale Konferenz der Iglesia Morava mit Jugendlichen aus Schweden, dem Kongo und den USA statt. Diese sogenannte ID-Konferenz (ID bezieht sich auf die „Identität“ der Jugendlichen bezüglich ihrer Religion, die Teilnehmer werden von christlichen Organisationen entsandt) findet jedes Jahr statt, und dieses Jahr war Nicaragua das Gastgeberland. Das Programm beinhaltete (viel zu) viele Gottesdienste (welche die Teilnehmer aufgrund ihrer Sprachkenntnisse kaum verstanden) und auch einige kurze Besuche in den Gemeinden um Puerto Cabezas. Generell war das Programm ziemlich eng und leider oft auch ein wenig langweilig. Ein Kennen lernen der Kultur, was ja eigentlich ein wichtiger Punkt einer solchen Reise sein sollte, kam viel zu kurz. Ein Besuch in einer Disko wurde den (volljährigen!) Teilnehmern verwehrt, aufgrund der strikten Regeln der Iglesia Morava. Tanzen, Rauchen und Alkoholkonsum sind „schlecht“ und verboten. Eine Mitwirkung an der Gestaltung und Durchführung des Programms wurde uns kaum gestattet – auch wenn wir unserer Meinung nach einige positive Beiträgen hätten leisten können.

Unter anderem dies macht die Arbeit (neben ihrer haarsträubenden Organisation und Ineffizienz) mit der Iglesia Morava so schwierig – das Potenzial der Freiwilligen wird kaum ausgeschöpft und oft ignoriert. Man muss regelrecht darum kämpfen, mitwirken zu dürfen – so auch bei der Konferenz in Wawa Bar im Januar (mehr dazu im Folgenden und den beiden Zeitungsartikeln auf meinem Online-Blog, Adresse siehe unten). Dies war unsere erste „Heimatlandskonferenz“ und ein ganz schönes Stück anders als jene in Honduras. Hier wirkten auch die Jugendlichen der Kirche in der Programmgestaltung aktiv mit, die tausend Teilnehmer wurden in Gruppen aufgeteilt und erhielten eine Art Bibelunterricht, welcher zum Teil auch von Jugendlichen durchgeführt wurde. Trotz mehrfachem Nachhakens wurde uns versichert, dass es für uns nichts zu tun gibt, weder in der Organisation noch in der Durchführung der Konferenz. Dabei hätte es tolle Möglichkeiten gegeben, Vorträge über gesellschaftliche Themen zu halten (über Umwelt, Drogen, HIV...) , die hier leider oft zu kurz kommen. Dies fiel uns aber erst vor Ort auf – das Programm stand fest, und wir waren zudem unvorbereitet. Lediglich das Kinderprogramm an zwei Tagen wurde uns zugeteilt. Wir spielten mit den Jungs und Mädels zwischen 3 und 10 Jahren Fang- und Teamspiele, was aufgrund eines mangelnden Übersetzers etwas chaotisch wurde – viele der Kinder sprachen nur sehr wenig oder überhaupt kein Spanisch, und der Aufgabe als Dolmetscher war keiner gewachsen. Dennoch hat es den Kindern offenbar viel Spaß gemacht, und uns natürlich auch.

Weihnachtszeit

Weihnachten war überraschend unspektakulär, was mir aber ganz recht war, ich mag das ganze Weihnachtstheater ohnehin nicht besonders. Geschenkt wurde nicht großartig, das war ein bisschen unangenehm, weil wir eigentlich für jeden ein kleines Geschenk besorgt hatten. Aber die Leute haben sich trotzdem gefreut, und ich hatte nicht das Gefühl, dass sich deswegen jemand unwohl gefühlt hat. Wir wurden am Heiligabend von einer unserer Ersatzmamas Anicia, die sich seit Generationen um die Freiwilligen hier kümmert, zum Essen eingeladen, es gab cerdo hornado, eine Art Schweinebraten, das war sehr lecker. Abends ging es dann in die Disko. So wird das hier an Feiertagen gemacht – Kirche, Essen, Disko. Silvester verlief ähnlich, da waren wir zuerst bei unseren Lieblingsnachbarn Judit (Ersatzmama Nr. 2) und Marlon, mit welchen wir viel Zeit verbringen. Marlon kann gut kochen und hat uns schon beigebracht, einige typisches Nica - Gerichte zu kochen. Dort tranken wir dann ein paar Bierchen und gingen danach – was soll man auch sonst tun – wieder in die Disko. Weit und breit war kein Taxi in Sicht, glücklicherweise erwischten wir einen Ride auf dem Pick Up der policia nacional.

Verrückte Krankheiten in Wawa Bar

Im Januar ging es wie gesagt zu unserer ersten Heimatlandskonferenz in Wawa Bar – das Paradies auf Erden, könnte man fast meinen. Dazu steht aber genug in den beiden Zeitungsartikeln (siehe Online-Blog). Wozu ich allerdings noch ein paar Worte verlieren möchte, ist die mehr als seltsame „Krankheit“ grisi siknis (crazy sickness – dazu ausführlich in einem der unten stehenden Zeitungsartikel). Es ist schwer, sich hierzu eine Meinung zu bilden. Die Erklärung mit dem Hexer fällt für mich aus – auch wenn es die einfachste wäre. Wer an den Teufel glaubt, für den macht das Ganze natürlich Sinn – der Teufel hat finstere Mächte und versteht es, diese zu gebrauchen. Das ganze rational zu erklären, wird schwieriger. Unsere Ersatzmutter Anicia, welche auch Direktorin des Bereiches preparatoria (ein Programm für sozial benachteilige Jugendliche, welches diesen ermöglicht das bachillerato, einen Abschluss vergleichbar mit Abitur, zu erwerben) der hiesigen Universität ist, meint jedenfalls, dass die Sache mit Sicherheit, etwas „psychologisches und kulturelles“ ist. Eine genauere Erklärung hat sie allerdings nicht. Die Universität hat dazu Untersuchungen angestellt, und es war wohl möglich, den merkwürdigen Zustand durch eindringliches Zureden zu unterbrechen. Bei Schülern der preparatoria wohl unter der Drohung, sie nach hause zu schicken, wenn das nicht sofort aufhört. Aber ein wenig tiefer scheint die Sache dennoch zu gehen. Eine Art von Epilepsie kann es angeblich nicht sein, die Symptome hierfür sind laut Anicia andere. Es gab wohl auch schon Untersuchungen von ausländischen Ärzten zu diesem Thema, deren Ergebnisse mir allerdings nicht bekannt sind. Ein Bekannter aus Managua, der selbst einige Zeit entlang der Karibikküste Nicaraguas gereist ist, meint, es könnte etwas mit einer Art Kulturschock zu tun haben: Meist ereignet sich die Krankheit bei Konferenzen in comunidades (abgelegene Dörfer). Er meint, dass die Konfrontation der Jugendlichen mit ihrem Ursprung, fernab von der vergleichsweise sehr modernen Lebensweise in der Stadt, der Auslöser des Phänomens sein könnte. Aber auch diese zugegeben sehr wackelige Erklärung erklärt nicht, wie sich die Krankheit innerhalb der Stadt ereignet – und auch so etwas ist schon vorgekommen. Sehr merkwürdig ist auch, dass das Phänomen so viele Personen auf einmal erfasst. So bleibt die Erklärung mit dem Hexer die einzig gültige für die Menschen hier. Vielleicht hat ja jemand von euch eine Idee hierzu...

Freiwilligenfest

Im Februar fand dann das Nicanetz-Seminar statt, ein Seminar von und mit Nicaragua-Freiwilligen aus Deutschland, die hier einem meist einjährigen, aber auch drei-, sechs- oder gar achtzehnmonatigen Dienst verrichten. Im windigen El Crucero, etwa 30 Busminuten von Managua entfernt an der Panamericana gelegen, kamen Freiwillige zusammen, die über das ganze Land verteilt im Einsatz sind. Hier stellte jeder sein Projekt vor, jeder verlor ein paar Worte zu seiner Organisation in Deutschland und erklärte, was er in seinem Projekt zu tun hat. Es gab viele verschiedene und sehr interessante Projekte. So zum Beispiel ein Musikprojekt mit Kindern aus armen Vierteln in der Hauptstadt Managua, ein Projekt, dass sich für die Rechte der Frauen in Matagalpa (im Norden Nicaraguas) einsetzt oder eines, dass mit Straßenkindern in Leòn (im Nordwesten Nicaraguas) arbeitet.

Es wurde viel über Erfolge, Misserfolge und die Sinnhaftigkeit des Freiwilligendienstes an sich diskutiert, und die Meisten sahen ihren Dienst auch trotz Schwierigkeiten, mit denen wahrscheinlich jeder Freiwilliger zu kämpfen hat, als sinnvoll an. Schwierigkeiten gab es mit eigensinnigen Chefs, die entweder keine Lust haben, sich mit den Freiwilligen zu beschäftigen, und das dann auch nicht tun und diese sich selbst überlassen, oder die Freiwilligen in ihrem Streben gar behindern, weil sie andere Vorstellungen davon haben, was dieser zu tun und zu lassen hat. Manche beklagten sich auch darüber, dass sie das Gefühl hätten, dass unangenehme Arbeiten auf sie abgewälzt werden und häufig eine Mentalität herrsche nach dem Motto „Der chele („Weiße“) wird es schon richten“. Probleme haben einige auch mit der Genehmigung zur Umsetzung ihrer Ideen. So brauchen manche für jede noch so lächerliche Lappalie eine schriftliche autorisación. Und diese ist nicht immer leicht zu bekommen, oft werden so ganze Tage untätig verbracht.

Schon Zusammenarbeit oder noch Hilfe?

Generell waren sich die Freiwilligen einig, dass Nicaragua sehr viel Entwicklungshilfe erhält. Das hört sich zwar auf den ersten Blick gut an, aber hierbei muss man sehen, inwieweit hier der Begriff „Entwicklungszusammenarbeit“ oder der Begriff „Entwicklungshilfe“ treffender ist – unüberlegte Investitionen regen eine Mentalität des Handaufhaltens an. Dies ist auch, woran sich viele Freiwillige stören – es kommt viel von Außen, aber ein großes Problem ist, was die Nicas mit dieser Hilfe anstellen. Sobald es noch Kontrolle der „Helfenden“ gibt, ist die sinnvolle Verwendung der Hilfe noch einigermaßen gesichert, aber wenn diese Kontrolle gelockert wird oder ganz aufhört, wird in manchen Fällen kein Finger mehr gerührt.

Es ist sehr schwierig, bei so etwas zu verallgemeinern, und es gibt sicherlich Fälle, bei denen die Entwicklungszusammenarbeit super klappt, und andere, bei denen man nicht mehr von einer Zusammenarbeit sprechen kann. Auf jeden Fall haben alle Freiwilligen begriffen, dass Entwicklungshilfe oder Entwicklungszusammenarbeit, wie auch immer man es nun nennen mag, eine äußerst schwierige Angelegenheit ist, und dass hier die Meinungen hierzu einfach auseinander gehen.

Vortrag und Kartoffelsalat

Einige Gäste haben die beiden Organisatoren Thomas und Simon (aka „Plata Reinhold“, aufgrund seiner äußeren Erscheinung und einer Vorliebe für billigen Rum der Marke „Ron Plata“) auch eingeladen. Ein waschechter Nica, der in einer NGO (zu deutsch NRO = Nicht-Regierungs-Organisation) arbeitet, die sich für Frauenrechte einsetzt, gewährte uns einen Einblick in seine Arbeit. Auch einige Landsmänner, die mit dem DED (Deutscher Entwicklungsdienst) in Nicaragua sind, waren eingeladen. Diese hielten interessante Vorträge über den DED und die Möglichkeiten, mit diesem zu arbeiten, mit Zwei- bis Vierjahresverträgen, als Praktikum oder im Nachwuchsförderprogramm für Studienabsolventen.

Abends wurde die Zusammenkunft so vieler gleichgesinnter Landsmänner gebührend gefeiert, mit nicaraguanischem Bier, das an sich ganz ok ist, und Flor de Caña, dem exzellenten Rum Nicaraguas, den man hier zum Preis billigsten deutschen Supermarktfusels bekommt.

Zum Abschluss des Seminars besuchten wir die deutsche Botschaft in Managua, wo uns eine typisch deutsche Überraschung erwartete: Kartoffelsalat und „Leberkäs“. Dort erzählte uns ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes etwas über seine Arbeit und die Arbeit in der deutschen Botschaft allgemein.

Vertreter der RAAN

Swantje und ich waren die einzigen Repräsentanten der Atlantikregion Nicaraguas beim Seminar – keine Überraschung, gibt es doch neben Tom, der für den DED arbeitet, und Jet, eine Holländerin die Unterricht in der Universität gibt und nebenbei ein Projekt für Kinder aufzieht, kaum cheles in Puerto Cabezas. Die RAAN (nördliche Atlantikregion Nicaraguas) bekommt nicht viel Besuch. Anders die RAAS (südliche Atlantikregion Nicaraguas), die mit ihrer Touristenattraktion Corn Island, einer Karibikinsel mit kristallklarem Wasser, weißen Sandstränden und einer gut zugänglichen belebten Unterwasserwelt stets viele Besucher anzieht.

Gerade deshalb ist es meiner Ansicht nach sehr wichtig, dass auch dorthin Freiwillige entsendet werden, zum einen, weil die RAAN natürlich die ärmste Region des ärmsten Landes Zentralamerikas ist und Unterstützung nötig hat, und zum anderen damit das Bild vom europäischen Ausland nicht ausschließlich von Videos nordamerikanischer Gangster - Rapper bestimmt wird – einige glauben gar, Deutschland wäre ein Teil der USA.

Im Anschluss an das Seminar erwartete mich schon bald der Besuch meines Freundes Christoph aus Deutschland. Und weil die Brigade mit US-Amerikanern, mit der wir direkt nach dem Seminar von der Hauptstadt Managua nach Puerto und von dort aus in drei Gemeinden zur Wiederaufbauhilfe fahren wollten, abgesagt wurde, entschieden wir uns, noch ein wenig in der Pazifikregion zu verweilen. Swantje fuhr schon etwas früher wieder zurück, sie erwartete keinen Besuch.

Jenes Nicaragua, dessen Gesicht die Welt (wenn überhaupt) kennt

In den Regionen der Pazifikseite gibt es Unmengen an sehenswürdigen Dingen, anders als in der in dieser Hinsicht etwas kargeren RAAN. Schöne und meist gut zugängliche Strände entlang des Pazifiks, reihenweise Vulkane, ein atemberaubender Canyon im Norden Nicaraguas, wunderschöne Kolonialstädte mit toller Atmosphäre wie Leòn (in Nordwesten) und eine kleine Insel namens Ometepe im Nicaraguasee, die mit zwei Vulkanen und einer wunderschönen Vegetation wie im Märchen wirkt – um nur ein paar Highlights zu nennen.

Vulkan und Canyon

Mit Swantje zusammen besuchte ich den Vulkan bei Masaya, gut von Managua zu erreichen und problemlos an einem Vormittag zu bewältigen. Mein erster Vulkan bisher, und auch wenn er nicht übermäßig spektakulär ist, einen Besuch wert. Dieser Vulkan ist immer noch aktiv, allerdings ist ein aktiver Vulkan nicht unbedingt das, was man sich als Vulkan-Laie vorstellt – von glühender Lava war keine Spur. Stattdessen Unmengen von Rauch und ein starker, schwefliger Gestank. Es gibt wohl auch Vulkane, bei denen man Lava zu sehen bekommt – von solch einem hatte mir ein US-Amerikaner erzählt, diesen in Guatemala bestiegen hat.

Mit unserem Freund Jakob, der in Managua und zeitweise auch Somoto seinen Dienst verrichtet, brachen wir auf zum Canyon von Somoto – wirklich beeindruckend und nur durch Bilder zu beschreiben (siehe Online-Blog). Der Canyon ist begeh- beziehungsweise „beschwimmbar“, ein schmaler Durchgang zwischen meterhohen Felswänden gewährt Zugang. Den ersten Teil kann man noch zu Fuß bewältigen, allerdings muss man sich auch dorthin für eine handvoll pesos per Boot befördern lassen. Durch den Canyon fließt ein Zweig des großen Grenzflusses zu Honduras (Río Coco) was den Canyon in der Regenzeit nicht ungefährlich macht. Allerdings herrscht von Januar bis etwa Mitte Mai Trockenzeit in Nicaragua – es regnet so gut wie überhaupt nicht. Wir legten ein kleines Stück zu Fuß zurück, danach ließen wir unsere Sachen zurück und schwammen tiefer durch kristallklares Wasser in den Canyon hinein.

Jenseits vom Massentourismus

Ein sehr schöner Aspekt an Nicaragua ist, dass es anders als beispielsweise Costa Rica bisher weitgehend vom Massentourismus verschont geblieben ist, und man nur ein vereinzelten Orten wie der Kolonialstadt Granada oder dem beliebten Ami-Ferienort San Juan del Sur Touristenströme vorfindet.

So hat man die Möglichkeit, das Land und die Kultur schnell intensiv kennen zu lernen, wie es an vielen anderen Orten der Welt nicht möglich ist. Es besteht auch bisher gar nicht die Infrastruktur für Massentourismus, und hoffentlich ändert sich das auch nicht allzu schnell. Für immer wird das allerdings mit Sicherheit nicht so bleiben, dafür hat Nicaragua einfach zu viel Potenzial.

Gringaragua

Auch dem Strandort San Juan del Sur statteten wir einen Besuch ab. Das war wie das Eintauchen in eine andere Welt.
Auf der einen Seite ist San Juan ein schönes Städtchen, direkt an einer kleinen Meeresbucht gelegen, Sonnenuntergänge am Strand inklusive.
Die Stadt an sich ist eigentlich sehr klein, aber über die Jahre hat sich San Juan zu einem Touristenhighlight entwickelt. Rund herum schossen Ferienvillen reicher Nicas und vor allem US-Amerikaner wie Pilze aus dem Boden, und die Stadt ist sehr touristisch ausgerichtet. Es herrscht eine touristische Atmosphäre, und dadurch ist es hier auch viel schwerer, eine Beziehung zu den Einheimischen aufzubauen. Selbst viele der Nicas, die man trifft, bevorzugen es, sich mit einem auf Englisch anstatt auf Spanisch zu unterhalten.

An einem Tag half ich zwei befreundeten Freiwilligen dabei, einen Graben für eine Wasserleitung in einer kleinen Siedlung nahe San Juan del Sur auszuheben. Wenn man nur ein kleines Stück aus der Stadt herausfährt, dann bekommt man einen krassen Kontrast zu sehen – die Menschen, die hier leben, sind sehr arm und haben einen geringen Lebensstandard. Eine Gruppe Nordamerikaner hatte ein kleines Projekt gestartet, die alle Häuser der Siedlung mit Wasser aus einem Brunnen versorgen soll. Die elektrische Pumpe, die das möglich macht, wird mit Solarenergie betrieben. Es war schön zu sehen, dass es auch Ausländer gibt, die nicht nur herkommen, um sich schöne, große Ferienhäuser kaufen oder in Luxushotels residieren und sich nicht weiter darum scheren, was unmittelbar um sie herum geschieht. Und es ist auch für die Einheimischen wichtig, dass sie zum einen auch etwas von dem Tourismus haben, und zum anderen, dass sie sehen, dass es eben auch Ausländer gibt, die mehr suchen als einen preiswerten Urlaub am Strand.

Kontrastprogramm

Das krasse Gegenteil zu San Juan del Sur erwartete mich direkt im Anschluss in San Francisco Libre, von den Einheimischen liebevoll „San Pancho“ genannt. Dort leisten befreundete Freiwillige, Asmus und Thilo, ihren Zivildienst (d.h. Thilo machte lediglich ein dreimonatiges Praktikum und ist schon wieder zuhause). Der eigentliche Anlass für diesen Besuch war Asmus’ Geburtstag. Um diesen zu feiern hatten die Jungs eigenhändig (mit Unterstützung der erfahrenen Dörfler) ein Schaf geschlachtet. Ich war ich nach den Erzählungen der beiden Jungs ziemlich gespannt auf ihr Dorf.

San Pancho liegt zwar nur etwa zwei Busstunden von der Hauptstadt Managua entfernt (genaugenommen auf der gegenüberliegenden Seite des direkt an der Stadt gelegenen Sees Xolotlán, auch Managuasee genannt), wenn man das Dorf jedoch betritt, fühlt man sich gleich unendlich weit weg von dem lebhaften Treiben der Großstadt. Es gibt nicht wirklich viel zu sehen in San Pancho. Das Dorf ist ruckzuck durchquert und die einzige Sehenswürdigkeit schnell abgehakt – Sonnenuntergang am See, mit Aussicht auf einen Vulkan, der im Abendrot versinkt.

Dennoch hat sich der Besuch gelohnt, es ist immer interessant zu sehen, wie andere voluntarios leben. Die beiden Jungs gehören zu den wenigen Freiwilligen, die ich kenne, deren Lebensumstände mit den Unseren vergleichbar sind. Allerdings denke ich, dass die ihrigen noch eine Spur gewöhnungsbedürftiger sind als unsere. Die einzigen Geschäfte sind eine handvoll pulperías, wo man das nötigste zum Leben bekommt. Außerdem gibt es ein paar comedores und fritangas, wo es günstiges Mittag- oder Abendessen gibt und zwei Bars, in denen sich die örtlichen Trunkenbolde herumtreiben. Das war’s. Was Thilo und Asmus uns allerdings voraus haben, ist ein Hahn mit fließendem Wasser im Hof und die tollste Dusche, die ich bisher in Nicaragua erlebt habe. Und natürlich die Nähe zur Hauptstadt, wo man eigentlich alles kriegen kann, und von dort aus auch dem Großteil der übrigen Pazifikküste Nicaraguas – wenn am Wochenende Lust auf touristische Aktivitäten oder Feierlaune aufkommt. Außerdem ist San Pancho vor allem eines – puro nicaragüense.

Die wahrscheinlich schönste Stadt Nicaraguas

Meine Reise führte mich auch in eine Stadt, in die ich mich sofort verliebt habe – Leòn. Diese studentische Kolonialstadt schafft es, trotz unzweifelhafter touristischer Attraktivität ihren Charme beizubehalten. Wunderschöne Wandmalereinen an Mauern und Hauswänden, eine Dreiviertelstunde Entfernung zu einem der schönsten mir bekannten Pazifikstrände Nicaraguas, eine lebhafte studentische, politische und künstlerische Szene, ein Katzensprung zur größten Vulkankette des Landes und ein reges Nachtleben – es fällt nicht schwer, sich in diese Stadt zu verlieben.
Hier bekomme ich Einblicke in die Arbeit von Ulja, einer deutschen Freiwilligen, die in dem Projekt Las tías arbeitet. Sie arbeitet mit Kindern aus armen Familien, die nach der Schule zum Projekthaus kommen, wo sie Essen und Unterstützung bei den Hausaufgaben bekommen. Ulja hat in diesem Rahmen ein Zirkusprojekt gestartet und dafür im Vorfeld jede Menge Artistikmaterial gesammelt – Diablos, Devil Sticks Einräder und dergleichen. Dies wurde dann über die Organisation verschifft, welche jedes Jahr via Containerschiff Materialien für das Projekt nach Nicaragua schafft.

Ich schaute ich mir die brodelnden Matschlöcher am Fuße eines Vulkanes an, lag am nahegelegenen Strand Las Peñitas, und nicht zuletzt der atemberaubende Stadtkern war ein Highlight.

Fremdenführer

Und dann war es auch schon bald Zeit, Christoph vom Flughafen zu eskortieren. Mit ihm besuchte ich San Juan del Sur, León und die Gegend in und um Managua. So zum Beispiel den sagenhaften Kunsthandwerksmarkt in Masaya, den man betritt und wenn überhaupt nur bepackt mit Hängematten (besondere Spezialität!), Taschen, T-Shirts und jeder Menge anderem Kram wieder verlassen möchte. Oder die eindrucksvolle Laguna de Masaya, eine in einem Vulkankrater entstandene Lagune, laut Prospekten „Nicaraguas blaustes, sauberstes Schwimmloch“ mit schön kühlem Wasser zum Baden, und außerdem einer hübschen Vegetation rundherum. Anschließend ging es dann zurück in die Heimat, mit dem Bus nach Puerto Cabezas.

Transportwege

Den Rückweg muss ich trotz der Tatsache, dass Swantje schon vor mir nach Puerto zurück gekehrt ist, nicht allein antreten. Im Gegenteil, der Bus ist regelrecht „alemanisiert“. Das Abenteuer einer 20-stündigen Busfahrt in ein anderes Nicaragua nehmen neben Nicaragua-Entdecker Christoph auch eine ganze Menge meiner Freunde von der Pazifikseite auf sich – Asmus und Jens, ebenfalls Freiwillige, Asmus’ Cousin Gunnar, der gerade zu Besuch ist, und Jens’ (Nica-)Freundin Alejandra. Zwanzig Stunden, damit muss man bei einer Busfahrt von Managua nach Puerto Cabezas rechnen. 537 Kilometer ist dieser Weg lang. Man könnte meinen, dass diese Distanz auch schneller zu bewältigen sein müsste. Es gibt allerdings gute Gründe für die lange Fahrtzeit: Erstens ist die Straße nur die ersten 4 Stunden der Fahrt geteert und stellenweise so schlecht, dass man sich wie in einer Hüpfburg mit einer Horde Achtjähriger fühlt, und zweitens sind die alten, ausrangierten Ami-Schulbusse, die diese Odyssey wagen, völlig überladen. Mit Eiern, Fensterscheiben, Kleidung, Tortilla-Chips und unzähligen weiteren Dingen. Die Busse nämlich auch als Transportdienste für Händler und Privatpersonen.

Alimentation

Nahezu alles, von den Grundnahrungsmitteln über die Kleidung bis zu den Luxusgütern, wird von der Pazifikseite des Landes angekarrt. Aus diesem Grund sind viele Produkte in der Atlantikregion im Vergleich zur Pazifikseite relativ teuer. Sogar Produkte wie Hähnchen (das am meisten konsumierte Fleisch) kommen von außerhalb, ebenso wie das meiste Gemüse. Milchprodukte sind teuer, selbst für europäische Verhältnisse. Joghurt etwa ist kaum zu kriegen, ebenso wie Frischkäse, und einige Dinge, die man im Pazifik leicht bekommen kann, gibt es gar nicht – zum Beispiel Gouda - Käse. Ein großer Fehler der Region ist, dass sie in der Regel nur importiert und eigentlich so gut wie überhaupt nichts (bis auf Langusten und Garnelen) exportiert. Und dass, obwohl ein großes Potential vorhanden ist – Limonen, Reis, Bohnen und viele andere landwirtschaftliche Produkte gedeihen hier hervorragend – und werden trotzdem importiert. Die Busse erreichen Puerto Cabezas berstend voll, und fahren so gut wie leer wieder ab.

In dieser Hinsicht hat die Region noch einiges zu tun. Eine Gruppe christlicher US-Amerikaner will die Menschen in den Gemeinden dabei unterstützen und eine Art Business-Schule aufziehen – den Menschen beibringen, wie sie effektiv anbauen und mit ihren Erträgen wirtschaften. Das bedeutet auch, nach der Bohnenernte nicht alle Bohnen zu Schleuderpreisen zu verkaufen und sie einige Monate später für ein Vielfaches des Verkaufspreises wieder zurückzukaufen. Dafür soll zum Beispiel eine Kooperative errichtet werden, welche die besagten Bohnen aufkauft, lagert, und sie zu einem fairen Preis, der die Lagerkosten deckt, wieder zurückzukaufen. Hierbei soll den Menschen kein beinharter Kapitalismus antrainiert, sondern lediglich gezeigt werden, wie sie ihre Ressourcen sinnvoll nutzen und dabei ihren Lebensunterhalt sichern können. Warum sollten denn hier etwa keine Hühnereier produziert werden können?

Ich selbst habe große Hoffnungen in das Projekt, die Leute die sich dessen annehmen, sind hoch engagiert, qualifiziert und feinfühlig für die Kultur. Sie sind mit der Region seit vielen Jahren vertraut, haben selbst hier gelebt oder Leben noch hier und sprechen die Landessprachen perfekt – Spanisch und manche sogar Miskitu. Auch die Regierung hat wohl ein derartiges Projekt im Auge – man darf also hoffen.

Semana Santa

Anlass für den Besuch der Bande von cheles war die Semana Santa – die „heilige“ Osterwoche. Das ganze Land steht zu dieser Zeit still, das heißt liegt am Strand oder ist sonst irgendwo urlaubs- und feiertechnisch unterwegs. Allzu fromm geht es allerdings nirgendwo zu – an den Stränden von San Juan del Sur oder Leòn beispielsweise findet zu dieser Zeit die größte fiesta des Jahres statt – mit Musik, Tanz und Alkoholleichen. Zu diesem Anlass strömen Touristen aus dem In- und Ausland überall dorthin, wo es sich gut feiern lässt, und das Land steht Kopf – die Flut der Feierwütigen führt in ein Verkehrschaos. Puerto Cabezas ist das ganze Jahr über kein Touristenparadies – so auch nicht in der Semana Santa. Dennoch wird auch hier einiges geboten – der Strand ist vollgepackt mit Ständen die Essen, Bier und Musik bieten – letzteres allerdings an vielen Ständen zur gleichen Zeit und in voller Lautstärke.

Die Besucher bekommen also eine gute Gelegenheit, dem Exzess am Pazifik (welcher viel Gewalt und Diebstahl mit sich bringt) zu entfliehen und gleichzeitig dieses andere Gesicht Nicaraguas kennen zu lernen – und müssen dennoch nicht völlig auf Festivitäten verzichten. Asmus und Gunnar besuchten mit Picado, einem unserer besten Freunde, die Gemeinde Wawa Bar, sie waren begeistert.

Eine spontane Idee wäre fast zum spontanen Abenteuer geworden – die pacificos wollten sich mit einem Fischerboot aufs Meer wagen und nach einer zweitägigen Überfahrt die südliche, touristischere RAAS mit Perllagunen und traumhaften Karibikinseln erkunden. Das Abenteuer scheiterte jedoch – es gab kein Benzin. Nicaragua ist und bleibt eben doch immer irgendwie Nicaragua.

Konferenz in Haulover

Unsere Besuche bei den AJECIM Konferenzen im Inland stehen unter einem guten Stern – wir haben das Glück, dass diese uns in die schönsten Gemeinden der Region führen. Zuerst nach Wawa Bar, und jetzt nach Haulover, südlich von Wawa Bar und ähnlich paradiesisch. Mit dem Unterschied, dass Haulover deutlich kleiner ist und auf einem Landstrich zwischen dem Atlantischen Ozean und einer Lagune liegt – dazwischen finden gerade einmal vier Häuserreihen platz. Diese Gemeinde blieb vom Hurrikan glücklicherweise verschont. Aufgrund seiner Lage auf besagtem Landstrich zwischen Meer und Lagune wäre Haulover völlig zerstört worden. So blieben die Kokospalmen, die den Strand säumen, anders als in Wawa Bar erhalten – traumhaft schön.

Konferenzleben

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal kurz das allgemeine Leben bei einer Konferenz erläutern – so in etwa läuft es immer ab, auch bei der vergangen Konferenz in Wawa Bar. Untergebracht werden die Teilnehmer in den Häusern der Bewohner der Gemeinde – eine tolle Sache, die Besucher werden bedingungslos aufgenommen. Dies stellte sich in Haulover mit knapp 40 Teilnehmern deutlich einfacher dar als bei der großen Jahreskonferenz in Wawa Bar mit über 1000 Teilnehmern. Hier wurden mitunter an die 80 Leute in ein Haus gequetscht. Also denkbar chaotisch und wenig Privatsphäre. Die meisten schlafen auf bloßem Holz- oder Steinboden. Wir hatten Glück in Wawa Bar, unser Kumpel Picado hat Familie dort, und wir konnten zu viert in deren Haus nächtigen und hatten sogar jeder ein Bett.

Speiseplan

Das Essen bei den Konferenzen ist wie bereits erwähnt unspektakulär, dreimal täglich Reis und Bohnen, morgens Kaffee dazu, mittags ein Stück Fleisch. Das ist dann entweder ein fettiges, mit Knochensplittern gespicktes und nicht gerade deliziöses Stück Rindfleisch, oder ein Stück Meeresschildkröte. Diese wird hier sehr gerne verzehrt. Ich habe das auch mal probiert, schmeckt an sich gar nicht so schlecht. Ich möchte das aber nicht mehr Essen – die Schildkröte ist ein seltenes und, wenn auch nicht in gleichem Maße wie am Pazifik, vom Aussterben bedrohtes Tier. Generell habe ich mir vorgenommen, ich bei den Konferenzen in Zukunft kein Fleisch mehr zu essen, da dies hygienetechnisch einfach fraglich zubereitet ist (und zudem auch nicht gut schmeckt!) und daher Parasitengefahr in darstellt. Dieses Vergnügen hatte ich bereits zweimal, keine schöne Angelegenheit. Aber es ist nun mal so, dass die Leute arm sind und daher die Kosten für diese Konferenz niedrig gehalten werden müssen. Darunter leidet eben der Speiseplan. Es gibt das, was es in der jeweiligen Gemeinde günstig zu erwerben gibt. In Haulover gab es deswegen neben Reis und Bohnen vor allem Shrimps und Fisch, die Gemeinde lebt von der Fischerei. Ein Highlight bietet der Konferenz-Speiseplan trotzdem - das Brot, das es bei den Konferenzen zu jedem Essen dazu gibt, schmeckt richtig gut. Es wird mit viel Kokosmilch auf dem offenen Feuer in einem großen Topf mit einem Wellblech obendrauf gebacken und ist sehr lecker.

Umweltprogramm

Generell besteht das Programm der Konferenzen aus schier endlosen Gottesdiensten, viel Gesang und einer Art Bibelunterricht – stets auf Miskitu, in den abgelegenen Gemeinden spricht kaum einer Spanisch. Für uns ist das alles, selbst wenn es auf Spanisch wäre, nicht wirklich interessant und wir nehmen nur wenig und aus repräsentativen Gründen Teil.

In Haulover hielten wir dann unseren ersten Vortrag - über Umwelt. Hierbei bemühten wir uns, ausschließlich die für hier relevanten Aspekte zu behandeln, einfache Begründungen und praktische Handlungsanweisungen zu liefern. So sprachen wir vor allem darüber, warum es schlecht ist, Müll einfach so auf die Straße oder ins Meer zu werfen, warum Benzin mit besonderer Vorsicht behandelt werden muss und was für Auswirkungen Fehlverhalten auf Fischerei, Trinkwasser und Gesundheit haben kann, durch Krankheiten und Bakterien. Das ganze trugen wir aufgrund unzureichender Miskitu - Kenntnisse auf Spanisch vor. Das wurde dann Stück für Stück von einem AJECIM - Mitglied übersetzt. An sich wurde das Ganze interessiert aufgenommen und viel nachgefragt, dennoch vermissten wir bei einigen die nötige Ernsthaftigkeit, mit der dieses Thema behandelt werden sollte. Es ist traurig zu sehen, wenn einer der Präsidenten von AJECIM fünf Minuten nach dem Vortrag Verpackungsmüll von der Veranda schmeißt. Allerdings ist das ganze dennoch nicht spurlos an den Teilnehmern vorbeigegangen, an der Umsetzung hapert es allerdings noch. Die Devise sollte sein: Immer weiter machen, und zwar über Generationen hinweg. In unserer Gesellschaft ist das Umweltbewusstsein, zumindest im kleinen Rahmen, häufig schon tief im Unterbewusstsein verankert. Daran muss hier noch gearbeitet werden, und zwar so oft und von so vielen Seiten wie möglich.

Gedächtnisverlust

Anfang Mai hat Swantje einen Unfall. Auf dem Nachhauseweg stürzt sie mit dem Fahrrad und hat einen ordentlichen Blackout. Sie kann sich nicht erinnern wo sie gewesen ist, was sie dort gemacht hat, weshalb und dass sie überhaupt gestürzt ist, und sogar welcher Tag heute ist. Wenn ich versuche, sie mit dem Wissen, das ich habe, aufzuklären, vergißt sie es anschließend sofort wieder. Sie steht unter Schock und ist sehr aufgewühlt. Zusammen mit ihrem Freund und einer Freundin von uns bringe ich sie ins Krankenhaus, wo sie zur Beobachtung dableiben muss. Großartig unternommen wird dort zwar bis auf das Anbieten einer Spritze gegen Schmerzen auch nichts, aber immerhin ist sie in der Nähe medizinischen Personals, falls sich ihr Zustand verschlechtern sollte. Am nächsten morgen kann sie sich wieder an das meiste erinnern – die Zeit unmittelbar vor dem Sturz und die Zeit danach bis zum nächsten morgen im Krankenhaus bleibt allerdings noch immer im Verborgenen. Mittlerweile hat sich Swantje in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Managua durchchecken lesen und glücklicherweise keine bleibenden Schäden davongetragen.

Was bei dem Ganzen besonders schockierend war, ist der Zustand des Krankenhauses in Puerto Cabezas. Ich hatte schon vorher gehört, dass dieses nicht im besten Zustand ist, dennoch hatte ich es mir nicht so vorgestellt. Der „Beobachtungsraum“ befindet sich in einer Einbuchtung im Gang vor der Rezeption. Darin befinden sich einige Betten, auf die sich die Patienten legen können. Es gibt keine Privatsphäre, und auch die Behandlungsräume der Notaufnahme befinden sich alle in einem Raum, abgetrennt durch einige wenige Vorhänge, die eigentlich kaum einen Unterschied machen. Es gibt am Eingangstor zwar einen Wachmann, der nimmt seine Aufgabe allerdings nicht besonders ernst. Eintreten kann jeder der will, egal ob krank oder nicht. Das lockt Trunkenbolde an, die sich im Hinterhof des Gebäudes besaufen oder einfach ihren Rausch ausschlafen. Auch Straßenhunde können ungehindert hinein und suchen im Beobachtungsraum nach Essen. Es herrscht ein hoher Geräuschpegel, viele Patienten auf wenig Personal. Nicht umsonst wird das Krankenhaus nach Möglichkeit gemieden - wer es sich leisten kann, begibt sich in die Hauptstadt Managua, wenn ein Krankenhausaufenthalt unvermeidbar ist.

Drogenentzug im Dschungel

Anfang Mai bekam ich die Gelegenheit, übers Wochenende ein Rehabilitationszentrum für drogenabhängige Jugendliche zu besuchen. Das Zentrum wird von zwei Deutschen betrieben, die vor etwa 14 Jahren auswanderten, um hier zu leben und dabei besagtes Zentrum gründeten. Dieses wird vom deutschen Staat finanziert und hat den selben Stellenwert wie ein Rehabilitationszentrum in Deutschland. Mit dem Unterschied, dass die Jugendlichen sich entscheiden können, ob sie lieber in dieses oder ein Zentrum in Deutschland möchten. Dafür spricht, dass sie hier viele Freiheiten und einen gigantischen Abstand zu ihrem vorherigen Leben haben. Allerdings sind die Bedingungen gewöhnungsbedürftig - das Grundstück liegt im Niemandsland, etwa drei Autostunden entfernt von der nächsten etwas größeren Stadt Waspam, ganz im Norden der RAAN. Zum nächsten Dorf mit dem Namen Kururya dauert es etwa 30 Minuten zu Fuß. Dort gibt es außer einigen Kirchen, ein paar pulperias (kleine Läden in Wohnhäusern, die Waren für den täglichen Gebrauch führen), einer Schule und einer kleinen Klinik gar nichts. Die Jugendlichen müssen hart arbeiten, geschenkt wird ihnen nichts. Sie sind hier Selbstversorger, Lebensmittel werden gepflanzt beziehungsweise gezüchtet, geerntet beziehungsweise geschlachtet. Selbst das Bett, in dem sie schlafen, müssen die Jugendlichen selbst bauen. Ein Stromnetz gibt es nicht, ein Solarpaneel liefert immerhin Strom für Licht, Musikanlage und Kühlschrank im Haupthaus. Generell bleiben die Jugendlichen zwei bis vier Jahre hier, die Therapie ist meist sehr erfolgreich.

Mein Besuch spielt sich im Rahmen einer Aktion der "comisión la lucha contra el sida" ab, einer Anti-Aids-Organisation in Puerto Cabezas. Zwei Mitarbeiter der Organisation halten ein Wochenende lang Vorträge über Aids und dessen Verhütung, führen Aids-Tests durch und verteilen Kondome sowie Infomaterial. Ich unterstütze die beiden ein wenig bei ihrer Arbeit.

Auch Miskitu-Jugendliche können sich in dem Zentrum umsonst therapieren lassen - allerdings müssen sie aus freien Stücken herkommen und einen starken Willen mitbringen. Das (für hiesige Verhältnisse ziemlich hohe) Taschengeld, das sie vom Staat erhalten, teilen die deutschen Jugendlichen dann mit den meist aus einfachen Familien stammenden Miskitus.

Drogen gibt es noch nicht allzu lange in dieser Region. Angefangen hat das erst in den neunziger Jahren, und wächst seitdem zu einem verheerenden Problem heran. Die Problemdroge ist vor allem Crack: Günstig, stark berauschend und macht sehr schnell abhängig. Die Kombination von Armut und Abhängigkeit ist gefährlich, die Kriminalitätsrate steigt seit dem Auftauchen von Drogen drastisch an.

Durch Erzählungen von Dieter, einem der beiden Gründer des Zentrums, wird mir wieder einmal klar, wie schlimm es um Nicaragua in Sachen Korruption steht. Er ist regionalpolitisch sehr engagiert und hat in seiner Zeit viele Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht. Generell habe ich mit der Zeit den Eindruck bekommen, dass wer immer hier an die Macht kommt, mit öffentlichen Geldern tun kann, was er will. Ich habe von unzähligen Geldern durch Projekte gehört, die einfach verschwunden sind - beziehungsweise sich in Häuser, Autos oder sonstigem Eigentum der Machthaber verwandelt haben. Mein Freund und Nachbar Marlon, welcher für die Regierung arbeitet, erzählte mir wie das Restaurant "Kabu Payaska", eines der nobelsten in Puerto Cabezas, entstand. Und zwar zeitgleich mit einer Spende aus Japan für ein Hafenprojekt, das niemals begann. Stattdessen eröffnete der Bürgermeister das besagte Restaurant und kaufte sich ein neues Auto. Ich bin nicht mit den Details vertraut, und man kann nie sagen, wie viel Wahrheit in solchen Geschichten steckt - allerdings hört man diese Geschichten viel zu oft, von Projektgeldern, die sich in Nichts auflösen. So zum Beispiel auch für eine geteerte Straße nach Managua, die niemals gebaut wurde. Wenn man prachtvolle Häuser in Puerto sieht und jemanden fragt, wem diese denn gehören, erhält man oft eine der beiden Antworten "Drogenhändler" oder "Bürgermeister". Und auch Staatspräsident Daniel Ortega besitzt gigantische Anwesen und Häuser, eines der beiden größten Einkaufszentren Nicaraguas und vieles mehr - ein Mann, der ihn seinen Reden den Kampf gegen den Kapitalismus, „schlimmster Feind der Menschheit“ beschwört.

Arbeitstechnisch

Arbeitstechnisch hat sich endlich etwas getan, es war ein harter Kampf bis dorthin. Wichtig war vor allem die Einsicht, so viel wie möglich selbst in die Hand zu nehmen und sich so wenig wie möglich von der Kirche bremsen zu lassen. Zu viele ungehaltene Versprechungen haben uns in unserer Arbeit behindert und zu der Erkenntnis geführt, dass wir selbstständig etwas unternehmen müssen und nicht im Geringsten auf Unterstützung von der Kirche zählen können. Wir haben angefangen, zweimal die Woche Unterricht für Jugendliche zu geben - Swantje hat den Kurs am Morgen, ich den am Nachmittag. Da Finanzierung durch die Kirche ausgeschlossen ist, erheben wir einen monatlichen Beitrag von 30 C$ (ca.1,50 US-Dollar - etwa ein Euro), damit finanzieren wir Materialien wie Stifte und Kopien, außerdem ein Diplom auf Kunstpapier am Ende des Kurses. Grund für den Monatsbeitrag war aber nicht in erster Linie die Kostendeckung - das hätten wir auch wenn nötig aus eigener Tasche bezahlt. Wichtig war uns vielmehr ein psychologischer Effekt. Unsere Vorgänger klagten darüber, dass viele ohne echtes Interesse am Unterricht teilnahmen, und oft nicht kamen - was den Unterricht erschwerte, weil nie alle auf dem selben Niveau waren.. Der Monatsbeitrag ist also als Abschreckung für jene gedacht, die kein echtes Interesse haben, Englisch zu lernen, und für die Übrigen als Ansporn dafür, den Unterricht regelmäßig zu besuchen - sie haben ja schließlich dafür bezahlt. Mit dem Geld, das übrig bleibt, kaufen wir gaseosas (Coca Cola & Co.) und Snacks, um das Arbeitsklima hin und wieder ein wenig aufzulockern.

Der Unterricht läuft ganz gut, wir haben beide interessierte und fleißige Schüler, die auch meist regelmäßig zum Unterricht kommen. Der Unterricht, dessen Vorbereitung und das Entwerfen von Arbeitsblättern macht uns großen Spaß. Allerdings stoßen wir hin und wieder an unsere pädagogischen Grenzen. Das liegt zu einem großen Teil an dem hiesigen Bildungssystem - das ist nämlich in einem grauenvollen Zustand. Die Methodik des Unterrichts hier besteht leider viel zu oft aus Frontal-Unterricht: Der Lehrer trägt vor, die Schüler schreiben mit und lernen auswendig. Transfer-Denken, welches an Deutschlands Schulen regelrecht zelebriert wird, findet man so gut wie gar nicht vor. Die RAAN, und wahrscheinlich ganz Nicaragua, braucht dringend eine pädagogische Revolution.

Darüber hinaus haben wir den bereits erwähnten Vortrag über Umwelt entworfen, unserer Meinung nach eines der dringendsten Probleme, das noch viel zu wenig Beachtung erhält. Den Vortrag wollen wir jetzt so oft wie möglich vortragen, in Puerto Cabezas selbst und in den umliegenden Gemeinden.

Der Unterricht im Gefängnis hat jetzt auch endlich angefangen. Dass das alles so lange gedauert hat, liegt meiner Meinung vor allem daran, dass hierbei zu viele Leute beteiligt sind - Polizei, Kirche und Justiz. Und der Pastor, welcher Kontakt und Verantwortungsträger bei diesem Projekt ist, ist eine Katastrophe in Sachen Organisation. Wir waren stets einsatzbereit, mussten jedoch ewig auf grünes Licht der Institutionen warten, unterzeichneten Verträge und konnten trotzdem noch nicht anfangen. Man muss allerdings dazu sagen, dass es hier einige politische Unruhen gab und die Lage eine Zeit lang kritisch war, sodass Hunderte von militärischen Spezialkräften eingeflogen werden mussten. Es gab Proteste und gewalttätige Ausschreitungen, weil die amtierende Regierung den Zeitpunkt der Wahlen um einige Monate nach hinten verschoben hatte. Ihre Begründung lag darin, dass sie das Krisenmanagement wegen des Hurrikans zu Ende führen wollen und ein Machtwechsel zu diesem Zeitpunkt Chaos und Verschwinden von Spendengeldern verursachen könnte. Ob das der wahre Grund ist, und ob das richtig oder falsch ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

­­­­­­­­­­­­­Laut Polizeichef konnte in dieser Zeit nicht ausreichend Sicherheit für uns gewährleistet werden, deshalb wurde das Projekt vorerst für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Diese Unruhen gepaart mit organisatorischer Inkompetenz verzögerten das Projekt immer wieder. Doch jetzt habe ich meine ersten Stunden hinter mir und bin recht zufrieden. Die Häftlinge sind dankbar für diese Gelegenheit und arbeiten ganz gut mit, einige haben schon solide Vorkenntnisse. Aus dem Ganzen lässt sich etwas machen, zumal das Problem des Fernbleibens vom Unterricht minimal ist. Jedoch ist mir jetzt schon klar, dass ich meine Erwartungen gegenüber der anderen Englischklasse deutlich herunterschrauben muss. Der Unterricht ist freiwillig, aber die Insassen des Gefängnisses sind für jede Gelegenheit dankbar, ihre ungemütliche Zelle zu verlassen und etwas Abwechslung zu bekommen. Zudem findet der Unterricht findet im Besprechungsraum der Chefetage statt – ein schöner, klimatisierter Raum, wo sich die Häftlinge endlich einmal wieder wohl fühlen können..
Sicherheitstechnisch sehe ich keine Probleme. Unsere insgesamt siebzehn Schüler, die Swantje und ich getrennt unterrichten, wurden unter über 70 Häftlingen als die Diszipliniertesten ausgewählt. Während des Unterrichts sind stets zwei Polizisten anwesend, und der Polizeichef hat seine Häftlinge deutlich zur Disziplin gemahnt – wer sich nicht benimmt, wird vom Unterricht ausgeschlossen – und das will bisher jedenfalls keiner.

Eine befreundete Holländerin namens Jet (deren Waschmaschine uns seit einiger Zeit das mühsame und zeitaufwändige Handwaschen erspart) ist außerdem dabei, ein Projekt für sozial benachteiligte Kinder ins Leben zu rufen. Die Idee ist, einen Ort zu schaffen, wo die Kinder nach der Schule hinkommen können, Unterstützung bei den Hausaufgaben erhalten und sich beschäftigen können – ähnlich wie das Projekt Las tías meiner Kollegin Ulja in Leòn. Zunächst im kleinen Rahmen und ohne eigene Räumlichkeiten, an zwei Tagen der Woche für jeweils zwei Stunden am Morgen und am Nachmittag, da ein Teil der Kinder morgens und ein anderer Teil nachmittags Unterricht hat. Mit der Zeit soll das Projekt erweitert werden, dafür sind allerdings noch mehr Spendengelder nötig. Immerhin ein Grundstück hat diese kleine, von Jets Familie und ihren Freunden gegründet, bereits erworben.So entstehen bald neue Arbeitsmöglichkeiten für uns, das Projekt soll am 24. Juni anlaufen. Zusammen mit zwei Studenten der hiesigen Universität werden wir die Kinder betreuen, ihnen bei den Hausaufgaben helfen und mit ihnen spielen. Außerdem gibt es viel Raum für weitere Gestaltungsmöglichkeiten.

Eine befreundete Holländerin namens Jet (deren Waschmaschine uns seit einiger Zeit das mühsame und zeitaufwändige Handwaschen erspart) ist außerdem dabei, ein Projekt für sozial benachteiligte Kinder ins Leben zu rufen. Die Idee ist, einen Ort zu schaffen, wo die Kinder nach der Schule hinkommen können, Unterstützung bei den Hausaufgaben bekommen und sich beschäftigen können – ähnlich wie das Projekt Las tías meiner Kollegin Ulja in Leòn. Zunächst im kleinen Rahmen und ohne eigene Räumlichkeiten, an zwei Tagen der Woche für jeweils zwei Stunden am Morgen und am Nachmittag, da ein Teil der Kinder morgens und ein anderer Teil nachmittags Unterricht hat. Mit der Zeit soll das Projekt erweitert werden, dafür sind allerdings noch mehr Spendengelder nötig. Hier entstehen bald neue Arbeitsmöglichkeiten für uns, das Projekt soll am 24. Juni anlaufen. Zusammen mit zwei Studenten der hiesigen Universität werden wir die Kinder betreuen, ihnen bei den Hausaufgaben helfen und mit ihnen spielen. Außerdem gibt es viel Raum für weitere Gestaltungsmöglichkeiten.

Leben in Puerto

Generell habe ich mich hier in Puerto Cabezas sehr gut eingelebt. Ich habe mich gut an die Lebensbedingungen und den hiesigen Lebensstil gewöhnt. Swantje und ich haben in der Küche viel experimentiert und uns einen abwechslungsreichen Speiseplan erarbeitet. Die Stromversorgung ist deutlich stabiler geworden, momentan fällt nur noch selten der Strom aus, und meist nur für kurze Zeit. Wir haben viele Freunde gefunden und müssen uns eigentlich nie langweilen. Auch wenn der Begriff Freundschaft hier etwas anders definiert ist als in Deutschland. Einen Freund findet man schnell – eine tiefgründige Freundschaft zu finden ist schwerer. Hier besteht noch einmal ein Unterschied zur Pazifikregion des Landes, aber auch dort ist es oft so. Aber auch tiefgründige Freundschaften habe ich hier geknüpft, nicht zuletzt natürlich mit meiner Kollegin Swantje. Auch am Pazifik habe ich einige sehr gute Freunde gefunden, viele Deutsche, und auch ein paar Nicas.

In der letzten Zeit hatten wir einige Probleme mit unserer Wasserversorgung, da der Chef des Komplexes IDSIM auf die glorreiche Idee kam, eine elektrische Pumpe in unseren Brunnen einzubauen. Ist an sich keine schlechte Sache, weil die Pumpe uns dann fließendes Wasser im Haus bescheren würde - wenn das Ganze funktionieren würde. Tut es aber nicht. Liegt offenbar daran, dass die Wasserleitungen total verrottet sind. Im Dezember wurde die Pumpe eingebaut – mit der Folge, dass wir von da an bis heute den Brunnen nicht mehr benutzen können. Das ging zu Anfang noch einigermaßen – Wasser konnten wir durch Regen oder aus dem den Brunnen unseres Nachbarn Marlon auftreiben. Aber als dann im April die Trockenzeit begann, bekamen wir ein echtes Problem. Der Regen blieb aus, und der Brunnen unseres Nachbarn versiegte.

Irgendwie haben wir es trotzdem geschafft, über die Runden zu kommen, und wie durch ein Wunder war in einer Zisterne für Regenwasser auf dem Gelände meist genug Wasser zum Duschen, Geschirr waschen und für die Toilettenspülung. Seit kurzem hat die Regenzeit angefangen, an manchen Tagen regnet es in Strömen und für Juli, der Gipfel der Regenzeit, steht uns eine wahre Sintflut bevor – da kommt dann eher das gegenteilige Problem auf uns zu.

Die Sache mit der Pumpe ist charakteristisch – oft wird etwas angekündigt, halb durchgezogen und doch nicht fertig gestellt. Meist hapert es am Willen, an fachlicher Kompetenz der Verantwortlichen und Geld.

Generell herrscht bei Verabredungen keine unbedingte Verbindlichkeit, daran muss man sich gewöhnen. Auf Pünktlichkeit wird selten wert gelegt. Es gilt die hora nica – die nicaraguanische Zeit. Wie diese Uhr tickt, kann man nicht so genau sagen, aber meist einige Stunden langsamer als die europäische.

Generell ist es oft problematisch, sich auf andere zu verlassen – wenn man sich der Verlässlichkeit einer Person nicht hundertprozentig sicher ist, erledigt man die Sache besser selbst. Das kommt bei uns in Deutschland sicherlich auch vor, allerdings bei Weitem nicht in diesem Maße.

Abschiedswort

Das war’s fürs Erste, der nächste offizielle Unterstützerbrief ist für die Zeit nach dem Dienst vorgesehen und soll eine Reflexion über das Jahr enthalten. Ich werde versuchen, auf diesem Blog immer einmal wieder etwas von mir hören zu lassen. Es gibt hier jetzt auch neue und immer wieder aktuelle Bilder zu sehen, außerdem meine bisher veröffentlichten Zeitungsartikel aus der „Badischen Zeitung“. Diese findet ihr weiter unten. Ich freue mich natürlich immer darüber, etwas von euch zu hören!

Liebe Grüße aus dem schönen Nicaragua,

Moritz

1 comentario:

traveller dijo...

Hola Moritz,

ich war Ende 2008 auch in Haulover und bin zufällig auf deinen Blog gestoßen. Deine Erzählungen sind sehr interessant und ich denke, du könntest mir bei meiner Diplomarbeit helfen, die sich um Haulover dreht.
Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich unter marlene.wagenhofer@ufg.ac.at bei mir melden könntest!

Herzliche Grüße,
Marlene