domingo, 13 de julio de 2008

13. Juli 2008

Im Mai bekam ich Besuch von meinem Vater und meiner Zweitmama Tine. Swantje trat in dieser Zeit eine Reise nach Guatemala an. Da meine beiden Besucher mit zweieinhalb Wochen einen nur sehr kurzen Aufenthalt in Nicaragua hatten, versuchte ich, den beiden in dieser kurzen Zeit möglichst viel von der Schönheit des Landes und seiner Kultur zu vermitteln. Aus diesem Grund entschied ich mich, mit den beiden lediglich die interessantesten Orte an der Pazifikseite des Landes zu besuchen – ein Besuch an meinem Arbeitsort wäre zeitaufwändig, teuer und in touristischem Sinne schlicht weniger attraktiv gewesen.

Blöderweise begann unmittelbar vor ihrer Ankunft eine Protestwelle der transportistas - Busse und Taxis standen wochenlang still, die einzigen öffentlichen Transportmittel in Nicaragua. Grund hierfür war der massive Anstieg der Benzinpreise, der angesichts der Unterstützung von Venezuelas Präsident Hugo Chavéz durch Öllieferungen von vielen als ausbeuterisch empfunden wurde. Es gab zwar immer ein Taxi in Reichweite, jedoch bei weitem nicht so zahlreich wie gewöhnlich, und diejenigen, die es wagten, trotz allgemeinem Protest ihrer Arbeit nachzugehen, mussten große Vorsicht an den Tag legen, Schleichwege fahren, um die Brennpunkte des Protestes zu umgehen. Der eine oder andere Linienbus fuhr auch noch, aber auf Überlandbusse als Verbindungen zwischen den Städten war kein Verlass mehr – die meisten standen still. Dies machte mir einen Strich durch die Rechnung – wollte ich mit den beiden doch in Nica - Manier in alten gelben Ami-Schulbussen meine geplanten Reiseziele anpeilen. In Rücksprache mit meinem Besuch beschloss ich, ein Mietauto zu organisieren. Eine Freundin aus Managua konnte mir jemanden vermitteln, der Autos zu einem günstigen Preis verleiht.

So fuhren wir in einem kleinen roten Hyundai, der wohl schon einiges mitgemacht hatte, zu unseren Zielen León, Granada und der Insel Ometepe. Und im nachhinein muss ich sagen, dass dies eine gute Entscheidung war – selbst ohne Streik. Ich bin ich mir nicht sicher, ob sich die beiden in besagten Bussen so wohl gefühlt hätten. Außerdem konnten wir vom Auto aus die atemberaubende Landschaft viel besser erleben, und dazu kam dass das Auto über eine Klimaanlage verfügte – wir befanden uns nämlich auf dem Gipfel der Trockenzeit, und im ganzen Land herrschte eine schier unerträgliche Hitze. Ich kann nur erahnen, wie das für jemanden sein muss, der direkt aus dem kühlen Deutschland hierher kommt. Genau wie ich waren Fred und Tine von unserem ersten Reiseziel Leòn sofort begeistert – eine wunderschöne Stadt, lebhaftes Nachtleben und dazu ein toller Strand. In unserem Hostel gab es für die beiden außerdem die Möglichkeit, einen kurzen Spanischkurs zu machen. Die Insel Ometepe, mitten im zweitgrößten See Zentralamerikas – dem Nicaraguasee – gelegen, ist eins der großen Highlights für Zentralamerikareisende. Die kleine, achtförmige Insel sticht majestätisch aus dem großen See heraus – zwei mächtige Vulkane – Concepción und Maderas - machen die Insel zu etwas ganz besonderem. Seestrand, Dschungel, eine tolle Vegetation und nicht zuletzt besagte Vulkane lassen die Insel wirken wie einen Ort aus dem Märchen.

Unser letztes Ziel war Granada, ebenso wie Leòn Kolonialstadt, mit mächtigen Kathedralen, bunten Häusern und am Ufer des Nicaraguasees gelegen. Dennoch gefällt mir Leòn deutlich besser – Granada ist sehr touristisch ausgerichtet, teuer und besitzt nicht den revolutionären, studentischen Charme Leòns. Dennoch ist die Stadt einen Besuch wert, Granada ist eines der beliebtesten Touristenziele Nigaraguas. Durch den Ausbruch des mittlerweile inaktiven, nahegelegenen Vulkan Mombacho haben sich im Teil des Sees, der an Granada angrenzt, kleine Inseln gebildet, die heute grün bewachsen sind. Mittlerweile wurde erkannt, wie attraktiv diese Inseln sind, um darauf Ferienhäuser zu errichten. Nun sind viele der Inseln an reiche Nicaraguaner und Ausländer verkauft. Als wir eine Kajaktour (schön, empfehlenswert!) durch die Insellandschaft unternahmen, stachen uns immer wieder Schilder mit der Aufschrift „se vende“ ins Auge – zum Verkauf. Wir passierten eines der mächtigen Ferienhäuser der Familie Pellas – eine der reichsten Familien Zentralamerikas. Der Familie gehört unter anderem die berühmte Rum-Marke Flor de Caña, die beiden großen Biermarken Nicaraguas – Victoria und Toña – sowie der populärste Trinkwasserhersteller Agua Pura. Auch Präsident Daniel Ortega, ehemaliger Kämpfer fuer die Revolution und erklärter Gegner des Kapitalismus, hat hier eine Residenz.

Auf dem Rückweg nach Managua statteten wir der Laguna de Apoyo, einem tiefblauen und in saftigem Grün umwachsenen Schwimmloch, das im Krater eines erloschenen Vulkanes entstanden ist, und dem Vulkan bei Masaya einen Besuch ab. Der Besuch des Vulkans gestaltete sich kurz, aufgrund des wolkenreichen Wetters blieb der schweflige Qualm aus dem Vulkan in Bodennähe und schnürte einem mit seinem schwefligen Gestank den Atem ab. Meinen beiden Besuchern hat alles sehr gut gefallen, und sie haben in der kurzen Zeit einen guten Einblick bekommen.

In der Zeit, die ich vor und nach dem Besuch der beiden in der Pazifikregion verweilte, trat ich zum zweiten mal eine kurze Reise nach San Francisco Libre ("San Pancho") an, dem kleinen Dorf auf der anderen Seite des Managuasees an, von wo aus man das bunte Treiben in der Hauptstadt nur erahnen kann. Grund hierfür war die Abschiedsfeier meines Kumpels Asmus – das Ende seines Dienstes war gekommen. Thilo, der zeitweise mit Asmus zusammen gelebt und gearbeitet hatte, hatte uns bereits im März verlassen. Es war ein rauschendes, typisch nicaraguanisches Fest – mit Flor de Caña, Toña, Reggaeton und Revolutionsmusik auf der Gitarre, welche die alten guerilleros zum Tanz animierte. Und auch in Managua gab es ein Wiedersehen mit alten neuen Freunden wie Jakob und Christoph, Jens und Thomas, Flor und Karen und vielen anderen, fiesta und die Wiedereröffnung des vorrübergehend geschlossen gewesenen Art-Cafe, wo sich die alternative Szene Managuas versammelt.

Wieder zurück in Puerto Cabezas konnte es endlich richtig losgehen mit der Arbeit – mein wöchentlicher Arbeitsplan ist nun endlich ausgelastet. Schon seit längerer Zeit gebe ich einer Gruppe Jugendlicher zweimal die Woche Englischunterricht, und ich denke, meine Schüler haben schon einiges gelernt. Dazu kam der Unterricht im Gefängnis, ebenfalls zweimal die Woche. Darüber habe ich ja bereits in meinem zweiten Unterstützerbrief berichtet. Die Schüler, die ich hier unterrichte, sind motiviert und diszipliniert - das der Unterricht hier deutlich langsamer vorangeht als jener mit den Jugendlichen in Freiheit, war zu erwarten. Wichtig ist hier ohnehin vor allem der psychologische Effekt – den meist jugendlichen Inhaftierten eine Perspektive geben, ihnen zeigen, dass sie aus eigener Kraft etwas erreichen können. Sicherheitstechnisch gibt es überhaupt keine Probleme, die Häftlinge sind diszipliniert, der Unterricht wird überwacht und darüber hinaus ist das Gefängnis in Puerto ohnehin nicht für Straftäter, die längere Haftstrafen absitzen gedacht – diese werden nach Tipitapa, eine Stadt nahe Managua verfrachtet. Die Häftlinge in Puerto sind meist wegen kleiner und mittlerer Drogendelikte inhaftiert. Das Projekt hat auch schon die Aufmerksamkeit der nationalen Presse auf sich gezogen, „La Prensa“, einer der beiden großen Zeitungen des Landes und die Boulevardzeitung „Hoy“ berichteten darüber (die Artikel sind auf dieser Seite bei den Bildern zu finden).

Außerdem ist das Projekt unserer holländischen Freundin Jet angelaufen, von dem ich ebenfalls im zweiten Unterstützerbrief erzählt habe. Jet lebt bereits seit einigen Jahren hier, hat hier geheiratet und zwei Kinder. Sie unterrichtet wie ihr Mann an einer der beiden hiesigen Universitäten und betreibt in ihrer Freizeit das kleine Projekt „Fundación Marijn“. Das Projekt entstand aus dem Kreise von Jets Freunden und Familie. Jet kam vor langen Jahren nach Nicaragua, um als Freiwillige mit Straßenkindern in Managua zu arbeiten. Seither sammelte ihre Mutter immer wieder Spenden für kleine Projekte durch von ihr organisierte Veranstaltungen, und so kam dieses Projekt zustande. Seine Anfänge bestanden darin, dass einige der ärmsten Familien Puertos, mit Hilfe der Lehrerinnen der öffentlichen Schule ermittelt, monatlich Spenden in Form von grundlegenden Nahrungs- und Hygieneartikeln erhielten. Als Jet’s Mutter starb, erhielt das Projekt ihren Namen – Marijn. Bei den Familien handelt es sich meist um alleinstehende Frauen mit Kindern oder Familien, in denen der Vater aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, zu arbeiten. Das Ganze funktioniert über ein Patenschaftssystem – der Pate aus Europa übernimmt die Patenschaft für ein Kind in der Familie und spendet einen monatlichen Betrag. Auch wenn diese Beträge variieren, bekommt jede Familie gleich viel.

Seit einiger Zeit kommen die Kinder zweimal die Woche für zwei Stunden in das Projekt, was zurzeit im Zentrum „La Esperanza“ eingemietet ist und erhalten dort Hilfe bei den Hausaufgaben, Nachhilfe- und Leseunterricht. Außerdem spielen oder basteln wir mit den Kindern. Es gibt zwei Gruppen, eine am morgen, und eine am Nachmittag, da die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten Unterricht haben. Meine Kollegin Swantje und ich sind beide Male anwesend. Am Ende jeden Monats gibt es immer etwas Besonderes. Beim letzten Mal hielten Swantje und ich einen Vortrag über Umwelt und Umweltschutz, danach sollten die Kinder das gelernte zeichnerisch festhalten. Mit den Bildern wurde dann die Wand des Zentrums „La Esperanza“ geschmückt. Anschließend gab es gaseosa (Softdrinks) und Kekse. Es ist geplant, das Projekt auszuweiten, auch ein eigenes Projekthaus soll gebaut werden, ein Terrain dafür wurde bereits erworben. Aber im Moment fehlt für große Sprünge einfach noch das Geld. Bald soll das Projekt zu einer richtigen Organisation werden, eine administrative Kommission soll gebildet werden, um das ganze amtlicher zu machen und so eine breitere Finanzierung zu ermöglichen, das Projekt aus seiner Privatheit zu erheben. Das Ganze ist eine tolle Sache und etwas, das in Puerto Cabezas bisher fehlte. Auch die Arbeit dort macht mir großen Spaß.

Arbeitsmäßig kann ich mich nun nicht mehr beklagen – es war nötig, sich einer der Zusammenarbeit mit der Kirche zu entziehen. Das war nicht schwer, denn eine Zusammenarbeit in diesem Sinne hat eigentlich niemals stattgefunden. Offiziell laufen die beiden Englischunterricht-Projekte zwar unter dem Namen der Kirche, aber faktisch interessiert sich die Kirche als Institution eigentlich überhaupt nicht dafür. Dennoch ist es notwendig, die Form zu waren – offiziell ist die Kirche unser Kooperationspartner. Ich hoffe sehr, dass meine Nachfolger diese drei Projekte fortführen. Wenn sie dies von Anfang an tun, kann das Jahr von Anfang an spannend und effektiv für beide Seiten werden, anders als in unserem Fall.

Ansonsten war unser Kumpel Jakob Ende Juni ein weiteres Mal für einige Tage zu Besuch. Mit ihm haben wir der comunidad Krukira einen Besuch abgestattet und eine kleine Fete veranstaltet, um in seinen Geburtstag reinzufeiern. Geplant war, dass er mit dem Bus kommt und kostenlos mit einem Flugzeug des nicaraguanischen Militärs wieder zurückkehrt – wie ich es anlässlich des Besuches meiner Eltern gemacht hatte. Möglich war das durch die Kontakte von meinem Freund und Nachbarn Marlon, der bei der Regionalregierung arbeitet. Allerdings klappte es diesmal nicht wie geplant, weil die Leute beim Militär es versäumten, ihn trotz deutlicher Bitte in die Liste einzuschreiben – der Flug (an diesem Tag in einem Kampfhubschrauber) ging ohne ihn. Glücklicherweise konnte Marlon ihm am darauffolgenden Tag eine Mitfahrgelegenheit im Auto des Gouverneurs der Atlantikregion (RAAN) besorgen, welcher einen Termin in Managua hatte. So schaffte die mit dem Bus zu dieser Jahreszeit über 20-stündige Reise in 14 Stunden – und mit mehr Komfort.

Morgen, am 14. Juli werde ich meine letzte größere Reise innerhalb der RAAN antreten, und zwar in die Einöde von Musawas. Der Begründer dieses Dienstes, Pastor Ulrich Epperlein, kommt für einige Wochen mit einem Ärzteehepaar zu Besuch. Wir sollen beim Übersetzen helfen und mit den Jugendlichen der Gemeinde arbeiten. Das Dorf Musawas liegt mitten im Nirgendwo - deswegen werde ich ab jetzt fuer etwa zwei Wochen keinen Zugang zum Internet haben und auch nicht telefonisch zu erreichen sein. Im August ist mein Dienst dann schon zu Ende, meine Nachfolger kommen Ende August am Flughafen in Managua an.
Danach habe ich vor, noch ein wenig in Mittelamerika zu bleiben. Was genau ich dann machen werde, ist noch nicht klar, ich wuerde gerne ein Praktikum bei einer Entwicklungshilfeorganisation oder bei einem sozialen Projekt machen. Außerdem würde ich gerne etwas von Mexiko sehen.

Also dann, soviel von mir fürs Erste, ich freue mich darauf, auch etwas von euch zu hören.

Liebe Grüße, Moritz