Hohe Wellen schlagen gegen die Bootswand des kleinen Motorbootes, immer wieder spritzt Wasser ins Boot. Bei jeder Welle muss man darauf achten, nicht aus dem Boot zu fallen. Ich befinde mich auf dem Weg nach Sandy Bay, einer abgeschotteten Gemeinde etwa drei Stunden südlich von meiner Einsatzstelle Puerto Cabezas, auf dem Landweg nicht zu erreichen. Als wir in die Lagune einfahren, welche die Gemeinde in vier Gebiete teilt, beruhigt sich unsere Fahrt. Hinter uns das tosende Meer, vor uns das Panorama von Sandy Bay. „La pegueña Colombia” – Klein-Kolumbien. So stellen mir meine Kollegen die Gemeinde vor. Vor dem Hurrikan muss es hier sehr schön gewesen sein, jetzt dominieren zerstörte Häuser und ausgerissene Bäume das Bild. Hier, mittendrin im Nirgendwo, gibt es nur zwei Möglichkeiten, sein täglich Brot zu verdienen: Langusten fischen, für das Pfund bekommt man etwa 15 US-Dollar - und den Handel mit Drogen. Man erkennt sofort, wer sich ganz besonders letzterem verschrieben hat – der besitzt nämlich ein schönes und großes, oft mehrstöckiges Haus, was in diesem Teil des Landes nur sehr wenige haben, Motorräder, oder sogar Häuser und in Puerto Cabezas und der Hauptstadt Managua. Früher waren hier alle ausschließlich Fischer, bis irgendwann die Drogen kamen. Vom Meer angeschwemmt, vermutlich von Kurieren aus Kolumbien auf der Flucht verloren oder über Bord geworfen. Wer eins der kleinen weißen Pakete findet, ist reich – etwa 18 000 Dollar bekommt man für zwei Kilo Kokain, und das in einem Teil des Landes, in der ein großer Teil der Bevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag lebt. Die Leute fingen an, sich schöne Häuser zu bauen, Motorräder anzuschaffen – und stiegen selbst in das Geschäft ein. Wer schon so viel Geld gemacht hat, um sich ein Satellitentelefon leisten zu können, fängt an, seine eigenen Geschäfte zu machen. Bestellt Drogen, um sie mit Backpulver zu strecken und weiterzuverkaufen, kauft anderen Einheimischen gefundene Ware ab, verschifft sie per Schellboot nach Honduras, Mexico oder Miami – von wo aus sie dann auch zu uns nach Deutschland kommen.
Zwei meiner Begleiter waren hier selbst einmal im Geschäft. Der eine ist hier aufgewachsen und war schon im Alter von 15 Jahren als Kurier tätig. „In Sandy Bay zählt nicht, wie alt du bist. Was zählt ist die Kohle.“ Kurier zu spielen ist schnelles Geld, mit einem Schnellboot ist man in sechs Stunden in Kolumbien, für das bloße Abholen bekommt man 800 bis 1000 US-Dollar. Der andere war ganz dick im Geschäft. Fünf Millionen Dollar hatte er auf seinem Konto, sagt er. „Jetzt habe ich gar nichts mehr.“ Die Polizei hat ihn und seinen Partner geschnappt. Er selbst ist noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen, ihm konnte nichts nachgewiesen werden. Sein Komplize hat noch eine Jahre hinter Gittern vor sich. Er ist heute zum ersten mal seit drei Jahren wieder hier, so lange liegt seine Verhaftung zurück. Dieses Mal kommt er, um beim Wiederaufbau zu helfen. Ganz wohl in seiner Haut fühlt er sich nicht, meidet die Gegend, in der er früher gewohnt hat. Er hat Angst, dass es Leute gibt, die ihn aus dem Weg räumen wollen. Es ist nicht unüblich, dass Leute hier verschwinden. Eine Polizei gibt es hier seit einiger Zeit nicht mehr. „Das gefällt den Leuten hier nicht“, erklärt er mir. „In Sandy Bay trägt jeder seine Waffe bei sich. Die meisten würden lieber sterben als ins Gefängnis zu gehen.“ Ab und zu greift die Spezialeinheit der nationalen Polizei zu, bringt jemanden hinter Gitter. Aber auch die kommt nicht gerne hierher. Was hier passiert, ist kein Geheimnis. Aber warum unternimmt die Regierung nichts dagegen ? „Die ist doch selbst darin verwickelt. Drogen und Waffen, so machen die ihr Geschäft.“
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